Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach
Gründen ist eine interessante Option. Trotzdem entscheiden sich die meisten Menschen aus Bequemlichkeit für eine klassische Festanstellung: Von der Uni geht es direkt in den Karrieremodus; danach arbeitet man maximal 20 Jahre, um idealerweise schon mit Mitte 50 in den Ruhestand zu gehen. Auf 30 Tage Urlaub, bezahlte Fehltage und möglichst viele Bonuszahlungen möchte schließlich keiner verzichten. Die Folge: arbeiten, weil man arbeiten muss. Hallo Deutschland?!
Wenn man hierzulande jemandem erzählt, dass man versucht, ein Unternehmen aufzubauen, ist die erste Reaktion darauf oft positiv und euphorisch: Assoziationen mit Begriffen wie “Erfinder” und “Entdecker” beflügeln die Gedanken des Gegenübers. Diese Begeisterung hält jedoch nicht lange an: Im Laufe einer Unterhaltung entdecken Gesprächspartner in aller Regel die Vorzüge der comfort zone ihrer 40-Stunden-Woche. Ein eigenes Unternehmen gründen, Risiken eingehen und die Leidenschaft zum Beruf machen? Es gibt viel zu viele bequeme Argumente gegen den Weg von Gründerinnen und Gründern.
Ich beobachte regelmäßig vier Phasen, die das Gespräch zwischen Gründern und Nicht-Gründern charakterisieren.
Phase 1: Es sprudelt
Ideen hat so ziemlich jeder. Doch als Gründer kannst du deine Idee besonders gut pitchen – auch im privaten Gespräch. Dein Gegenüber ist fasziniert davon, dass du deine Idee in die Tat umsetzt, und wird davon inspiriert; meine Lieblingsphase der Unterhaltung beginnt. Dein Gesprächspartner entwirft eine Idee nach der anderen: die einzigartige App, das intelligente Bügeleisen. Es sprudelt – und wie!
Ich mag diese Phase und lasse es deshalb gerne weitersprudeln. Denn meistens kommt bald Phase 2, mit der es wieder zurück in die Realität geht …
Phase 2: Es wird gelöscht
Gerade war dein Gesprächspartner noch ganz begeistert, jetzt leitet er von ganz alleine den selbstzerstörerischen Teil seiner Rede ein. Jede seiner Ideen erstickt er im Keim – nicht nur ein bisschen, sondern so richtig. Die App gibt’s schon zigtausend mal, und das Bügeleisen ist zu absurd. Sämtliche Ideen werden verbal eingestampft, obwohl sie grundsätzlich gar nicht schlecht sind. Was nun folgt, ist die Phase des Selbstschutzes.
Phase 3: Eigentlich geht es mir nicht schlecht
“Warum sollte man überhaupt einen festen Job aufgeben, um sich einem eigenen Business zu widmen?”, fährt der Gesprächspartner fort. “Nur acht Stunden am Tag arbeiten, 30 Tage Urlaub, einfach mal krank sein dürfen – eigentlich geht es mir nicht schlecht!” Immerhin ist der Chef zwei Tage die Woche nett. Ein “Danke” gibt es zur Weihnachtfeier, und der Bonus ist auch nicht schlecht. Nach der Arbeit hat man keine Verpflichtungen mehr. Und zur Zerstreuung gibt es Bild, RTL und das gute, alte Hobby.
Dieser Selbstschutz wäre vollkommen in Ordnung, käme nicht anschließend Phase 4.
Phase 4: Du bist doch blöd
Denn jetzt schaltet der Gesprächspartner auf den Angriffsmodus um: “Nach dem Job noch programmieren? Am Wochenende arbeiten? Nein, das wäre nichts für mich. Du arbeitest dich doch nur auf!” Diese Phase kann sich in die Länge ziehen und zum Teil auch unangenehm werden. Ich möchte mich nicht stundenlang erklären, möchte nicht rechtfertigen, warum ich meinen Weg gehe.
Ich lenke das Gespräch deshalb auf ein anderes Thema um, frage zum Beispiel nach den Kindern. Wenn es gut läuft, finden wir schnell zurück in den “abgesicherten Modus”, in dem alles ist, wie es sein soll: Der Arbeiter arbeitet, der Macher macht.
Traut euch: Arbeitszeit ist Lebenszeit!
Irgendwer hat einmal gesagt: “Du sollst arbeiten, um zu leben.” Aber wenn arbeiten Sinn und Spaß macht, wird es automatisch zu einem besonders erfüllten Teil des Lebens.
Um in diesem Sinne zu arbeiten, müssen wir uns nur trauen, unsere eigenen Ideen zu verwirklichen. Deshalb: Hört auf zu löschen! Glaubt an Eure Idee. Macht eine App, die es schon gibt. Macht sie anders. Macht sie doppelt so cool wie die anderen. Das intelligente Bügeleisen: warum nicht? In Zeiten von Staubsaugrobotern und vernetzten Kaffeevollautomaten ist alles möglich.
Haltet euch nicht fest an fremden 08/15-Vorgaben und am vermeintlichen Masterplan fürs Leben. Es kommt ohnehin ganz anders, als man denkt!
Haha – sehr geil. Erinnert mich doch sehr an die Realität, wenn auch schön ausgeschmückt. Aber nicht jeder ist als Gründer geeignet. Ich habe auch lange so, oder so ähnlich argumentiert. Aber endlich stehe ich auf der anderen Seite ;-)