Die „Turbo-Gründer“: Schnell. Laut. Fail!

Manche Gründer verhalten sich so, als gelte es, den persönlichen Marathon bereits auf den ersten Kilometern zu gewinnen. Schnell muss es gehen. Jeder soll von der neuen Geschäftsidee erfahren, damit das eigene Start-up im Handumdrehen abhebt. Fakt ist aber: Sie fallen. Sogar noch schneller, als sie anfangs losgeflitzt sind.

Kurzweilige Schnellschüsse statt langfristige Konzepte

In den letzten eineinhalb Jahren haben wir auf unserem Portal eine ganze Reihe von Start-ups vorgestellt. Einige von ihnen haben großes Potenzial, viele sind definitiv ausbaufähig – und mancher junger Unternehmer hat noch eine Menge Arbeit vor sich.

Eine Gruppe ist aber ganz besonders interessant: die Gründer, die ohne erkennbares Konzept drauflos laufen.

Sie verschicken Pressemitteilungen an unzählige Magazine, Blogs und andere Webseiten. Eine Strategie haben sie nicht. Egal: Viel hilft viel. Doch das Pulver ist schnell verschossen. Die Medien werden gelangweilt, und das Start-up kommt ins Straucheln. Zweifel werden laut: „Wenn man jetzt doch bloß ein Konzept hätte: eine Strategie, die schlüssig und nachhaltig wirkt …“

Social-Media-Dauerfeuer

Ein Phänomen ist in diesem Zusammenhang die ebenso intensive wie planlose Nutzung von Facebook und Co. Folgen, liken, „Guten Morgen“ hier, „Gute Nacht“ dort: Posts wiederholen sich und werden nur marginal verändert.

Eine erfolgreiche Social-Media-Strategie sieht anders aus. Denn das permanente Posten ähnlicher Beiträge erstickt jede Begeisterung für das eigentliche Produkt im Keim. Das ist ein Problem: Das Dauerfeuer richtet mehr Schaden an, als dass es nützt.

Wer sich hingegen im Vorhinein Klarheit über die Interessen und Bedürfnisse der eigenen Zielgruppe verschafft und entsprechend bewusst mit sozialen Medien umgeht, lockt nicht nur neue Interessenten an, sondern hält auch seine Bestandskunden bei Laune. Das ist heute besonders wichtig: Denn wir leben in einer Zeit, in der es für fast jedes Produkt und jede Dienstleistung eine gute Alternative gibt.

Das Spiel mit den Medien

Die „Turbo-Gründer“ sind clever, schnell und überall präsent. Gerade erst haben sie das eigene Unternehmen gegründet, schon werden fünf Interviews auf diversen Plattformen veröffentlicht. Guckt man sich die verschiedenen Beiträge an, fällt jedoch eins auf: Die Fragen ähneln sich – genauso wie die Antworten. Das ist ermüdend für die Leser. Und ernüchternd für die Medien.

Bringt es wenigstens den Gründern Erfolg? Wohl nicht.

Journalistische Angebote leben von neuen Inhalten – und nicht davon, Altbekanntes neu zu verpacken. Leser wollen schließlich nicht fünfmal das Gleiche lesen. Die anfängliche Aufmerksamkeit beim Publikum ist so schnell dahin.

Nachhaltiger ist es, die erste größere Veröffentlichung zu genießen – und wirken zu lassen. Gründer sollten ein Feature in einem großen Online-Magazin als einen einmaligen Pass verstehen, der clever zu nutzen ist.

Das heißt natürlich nicht, dass ein zweites oder gar drittes Interview grundsätzlich schaden muss. Es sollte sich aber eben nicht einfach das wiederholen, was der Leser bzw. die Leserin schon in anderen Beiträgen erfahren hat.

Schnell da – schnell weg

Einerseits beeindruckt mich die Energie der „Turbo-Start-ups“. Doch die Ergebnisse sind allzu oft ernüchternd. Denn genau jene Unternehmen, die immer und immer wieder Interviews, Posts und kostenlose Präsenz einfordern, verschwinden meistens genauso schnell, wie sie aufgetaucht sind. Der Enthusiasmus, den sie in der dynamischen Kick-off-Phase aufbringen, geht in der Folgezeit schnell verloren.

Das färbt auch auf das Publikum ab: Schnell hat die Start-up-Szene genug von dem jungen Unternehmen, dass anfangs so viel Wind gemacht hat.

In der Ruhe liegt die Kraft

Eine Gründung ist kein Sprint. Im Gegenteil: Sie ist der vielleicht längste Marathon, den du je gelaufen bist. Das gilt auch für die Öffentlichkeitsarbeit – hier heißt es, langfristig zu denken.

Nur wer konstant an seiner Idee arbeitet, Kontakte respektvoll behandelt, zum Plan A auch eine B- und C- Variante im Hinterkopf hat und seine Strategie ein paar Schritte langsamer, aber dafür umso entschlossener verfolgt, kann am Schluss sein Ziel erreichen.

 

Lukas Herbst

Lukas Herbst ist 37 Jahre alt, Produktmanager bei Gemalto und Gründer der Online-Plattform StartupBrett. Nach Kosmos-Kasten, C64, Schule und Studium, folgten erste Erfahrungen als Freelancer, eine Festanstellung, 2 Kinder und 2 Start-ups.

16 Responses

  1. Marko B. Ludolph sagt:

    Toll geschrieben und auf den Punkt gebracht. Allerdings ist es auch erschreckend, wenn man den einen oder anderen Punkt bei sich selbst beobachtet :)

  2. Velocate sagt:

    Hallo Lukas – unterschreibe ich zu 100% … bin ja froh, dass es noch andere gibt, die so denken! Wir sind da auch eher zurückhaltend und verfolgen eine nachhaltige Strategie…

  3. Oh, wie wahr.
    Es ist vielleicht auch gar nicht immer so eine gute Idee, sofort tausende Kunden zu gewinnen, die dann sehr schnell enttäuscht vom eigenen Produkt oder Service sind. Manchmal ist es vielleicht wirklich besser, das ganze wie einen Marathon anzugehen, und sich die Kraft für einen langen Lauf gut einzuteilen. Wenn ich mir vorstelle, wir hätten anfangs gleich mit unserer damals noch holprigen Software gleich tausende Interessenten vergrault… Da sind mir ein paar Hände voll zufriedene und loyale Kunden, dei auch mal einen Anfängerfehler verzeihen, sehr viel lieber.
    Ohnehin sollte doch nachhaltiges Wachsen oberstes Ziel sein, nicht der große Knall.

    • Lukas Herbst sagt:

      Da stimme ich Dir absolut zu, Joachim. Gerade am Anfang, wenn das Produkt noch in der Beta-Phase steckt, sollte man zunächst das erste Feedback nutzen und ggf. das Produkt oder die Strategie anpassen.

      • Das mit der Beta-Phase ist viel zu oft eine Illusion. In einer geschlossenen Beta-Phase kann man viel aufdecken und verbessern, keine Frage. Aber irgendwann muss das Baby raus und trifft die Realität.
        Ob meine Logistik passt, ob die Software korrekt ist, ob das Angebot einer breiten Kundenschicht gefällt, kann keine Beta-Phase ergründen…

        • Björn sagt:

          Ich fahre eine closed Beta die ich dann ab einem gewissen Punkt durch invitations Stück für Stück zu einer öffentlichen mache. Die User aus der Closed beta bleiben für immer in einem Status der ihnen die Premium Features nutzbar macht, um permanent neue Features an ihnen testen zu können. Wenn das Produkt gut ist, wächst das ganze dann auf natürlichem Wege, ohne eine Hype Blase aufbauen zu müssen. Zumindest in der Theorie bei meinem SaaS. Da ich damit noch in der closed beta bin, gehen die Erfahrungen da aber leider noch nicht drüber hinaus. ^^ Aber zumindest ist das erstmal meine Strategie. :)

  4. miperto sagt:

    Das Problem ist leider, daß meiner Meinung nach in den Medien voranging „Sprints“ im Fokus stehen. Schaut Euch doch mal die Projekte der großen Ventures Gesellschaften an. Millionen und dann sollen innerhalb von Monate alles am Laufen sein. Selbst ich muß zugeben, daß es manchmal schwer fällt sich von diesem medialen Druck frei zu machen und sein eigenes – realistische „Tempo zu laufen“.

  5. Maximilian Gerhardt sagt:

    Ich finde die LEAN-Methode sollten einige Unternehmer verstehen lernen, einzig und allein, um sich wieder aufs wesentliche zu konzentrieren. Und zwar den Kunden! Zu viele Startups schießen nämlich schon vor dem Start, am Markt vorbei, aber noch viel schlimmer, sie bleiben auf der Überholspur!
    Sehr guter Beitrag!

    • Lukas Herbst sagt:

      Sehr guter Punkt, Maximilian. Danke Dir!

      • Maximilian Gerhardt sagt:

        Da fällt mir noch etwas zum Social-Media Dauerfeuer ein. Gerade in der frühen Phase, aber besonders bei den ersten Schritten, würde ich die sozialen Netzwerke nur für die PM Befragung oder Weiterleitung auf externe Seiten mit Umfragen leiten und nicht öffentlich Posten. Der Vorteil ist, dass die direkte Kommunikation und der Erstkontakt hängen bleibt. Die Messsge geht nicht unter und die Kommunikation bleibt auf Augenhöhe – Human 2 Human (H2H) statt B2C. Die potentiellen Kunden/Nutzer mitnehmen und teilhaben lassen. Im nächsten Schritt können Interessenten und Umfragen analysiert werden, um eine definiertere Umfrage zu starten, die von den Likes & Shares der Erstkontakter profitiert. Social-Listening übernimmt ein Großteil des neuen Marketings!

        Liebe Grüße und bei Fragen stehe ich auch hier zur Verfügung:

        Snapchat: MaximiseVisions
        Facebook: Maximilian Gerhardt

  6. Dennis Schenkel sagt:

    Ach wie schön. Da erkenn ich doch die ein oder andere Person wieder. Besonders das „Gute Nacht“ gefolgt von der Verhaftung am nächsten Morgen wegen Betrugs^^

  7. write2gether sagt:

    Die Kunst liegt vermutlich in der Balance zwischen dem kontinuierlichen Vorwärtslaufen intern (in der Entwicklung) und dem passenden Tempo in der Marktansprache, und das Ganze dann noch abgeglichen mit den finanziellen Realitäten und an welchem Thema man überhaupt herumschraubt. Balance ist ja immer das Schwierigste. Einerseits: Ankündigen ohne zu liefern kann sehr peinlich sein. Andererseits: Dem Lob der Langsamkeit würde ich mich nur bedingt anschließen. Jahrelanges Spazierengehen in der Garage wirkt nicht unbedingt Vertrauen erweckend.
    Gerade vor ein paar Tagen hatte ich mir übrigens Bill Gates rausgelegt für unseren nächsten Blogpost (nicht ohne Selbstironie). „Geduld“ ist ja etwas anderes als Warten. Geduld meint nicht in die Luft gucken, sondern im Gegenteil ein nie nachlassendes, beharrliches Bemühen.

    (Dein Thema passt übrigens perfekt zur Meldung von des Tages, dass der geniale Kittlaus nach 4 Jahren Verfolgen einer unglaublich kühnen Vision gestern erstmalig „Viv“ vorgestellt hat ( https://twitter.com/write2gether/status/729939069027926016 ). Das ist ein wahnsinniges Ding. Aufkäufer stehen Schlange, und Kittlaus sagt: „Nee, wir wollen das erst einmal richtig fertig machen. The job is not yet done.“)

  1. 2. Mai 2016

    […] dem StartupBrett schreibt Lukas über ein recht trauriges Phänomen der Startup-Szene: manch ein Gründer(team) […]

  2. 9. Mai 2016

    […] sein muss erklärt uns Lars Herbst, selbst Gründer eines Startups, auf seiner Online-Plattform StartupBrett: „Eine Gründung ist kein Sprint. Im Gegenteil: Sie ist der vielleicht längste Marathon, den du […]

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