Das soziale Netzwerk – Ein Spielplatz wie jeder andere

Könnt ihr euch noch an eure eigene Spielplatz-Zeit erinnern? War es nicht so, dass der Spielplatz der Ort war, an dem man Kinder traf, die zu Freunden und Spielpartnern wurden? Und hatte es ein „Neuer“ auf dem Spielplatz nicht erst einmal unheimlich schwer? Diese Mechanismen greifen auch in der Social-Media-Welt: Manchmal könnte man meinen, wir sind mit Facebook, Twitter und Co. aufgewachsen – damals in den 80ern und 90ern.

Meine Tochter geht wie jedes Kind gerne auf den Spielplatz. Es ist ein besonderer Ort, der im Leben eines jungen Menschen seinesgleichen sucht. Kein Tag vergeht, an dem wir die jüngsten Spielplatzerlebnisse nicht im Zuge unseres Abendrituals Revue passieren lassen.

Doch was hat der Spielplatz genau mit den sozialen Medien zu tun? Fangen wir von vorne an.

Alle sind fremd

Eines Tages besuchten meine Tochter und ich einen Spielplatz, der ein bisschen weiter weg ist als unser kleiner Spielplatz um die Ecke; wir waren noch nicht oft hier gewesen. Nach dem ersten Abklappern der verschiedenen Schaukeln, Wippen und Rutschen nahm ich mir eine kleine Auszeit und sah meiner Tochter von einer Bank beim Spielen zu.

Einige Minuten später saß sie traurig auf der Schaukel – ähnlich wie das Mädchen auf dem Titelbild. Ich wollte wissen, was los war. „Warum bist du traurig?“, fragte ich. Sie antwortete: „Keiner spielt mit mir.“ Ich hatte schon gemerkt, dass sich in unmittelbarer Nähe eine Gruppe von Kindern vergnügte. Ich schlug meiner Tochter deshalb vor, bei den anderen mitzuspielen, doch sie antwortete kurz und knapp, dass sie sich nicht traue. Sie war sich sicher: Niemand hier wollte etwas mit ihr zu tun haben.

Der erste Kontakt

Ich ermunterte sie weiter: „Du könntest dich doch einfach dazusetzen und zusehen, was die anderen Kinder machen. Und irgendwann spielst du einfach mit!“ Mit knapp fünf Jahren sind Kinder der Ansicht, dass ihr Papa alles weiß: Obwohl meine Tochter zunächst etwas skeptisch war, befolgte sie meinen Rat.

Die übrigen Kinder hatten nichts daran auszusetzen: Sie führten ihr Sandkastenspiel fort, ohne großartig auf meine Tochter zu achten. Alle stocherten im Sand herum und unterhielten sich über Burggräben, Steine und einstürzende Sandobjekte. Meine Tochter beschränkte sich zunächst auf kurze, meist höflich gemeinte Sätze: „Kann ich bitte den Eimer haben?” – „Danke für die Schaufel!” – „Schau mal, ich habe ein Feuerwehrhaus mit Garage!” Einzelne Kinder antworteten. So ging das ziemlich lange, und ich fing an, zu telefonieren.

Das Kollektiv

Während ich gerade dabei war, meiner Frau am Telefon unsere Strategie zu erklären, strömte plötzlich eine Horde Kinder auf mich zu. Ich unterbrach das Gespräch für einen Moment.
Da standen sie nun vor mir: der Große, der immer nur am Plappern war, die Kleine, die ich bis heute nicht richtig verstehen kann, ein nettes Mädchen neben meiner Tochter und zwei weitere, eher unscheinbare Kinder. „Darf sie mit uns auf den Sportplatz gehen? Wir wollen Fangen spielen!“, erklärte das Mädchen neben meiner Tochter.

Und weg waren sie. Im Kollektiv. Beim Fangen spielen. Plappernd, kichernd – und fast schon unverschämt laut.

Das soziale Netzwerk

Das soziale Netzwerk auf dem Spielplatz – es funktioniert. Und unter Erwachsenen im Internet ist es nicht viel anders!

Wenn wir ein soziales Netzwerk als Neuling betreten, kann es passieren, dass wir uns erst einmal ein bisschen einsam und verloren fühlen. Durch Beobachtung, Nachahmung und kleine Gesten oder Interaktionen kommen wir anderen Menschen aber schnell näher. Wir bilden Kontakte. Wir beschäftigen uns intensiv mit dem einen oder anderen Nutzer. Und irgendwann wird daraus ein Stückchen Vertrauen. Plötzlich versteht man sich, da man dieselbe Sprache spricht oder Ansichten und Vorlieben teilt.

Aus Fremden werden Freunde. Aus einzelnen Menschen wird ein Kollektiv. Im Netz mag das zwar nicht so schnell gehen wie auf dem Spielplatz. Aber es funktioniert: Ihr müsst nur mitspielen.

 

Lukas Herbst

Lukas Herbst ist 37 Jahre alt, Produktmanager bei Gemalto und Gründer der Online-Plattform StartupBrett. Nach Kosmos-Kasten, C64, Schule und Studium, folgten erste Erfahrungen als Freelancer, eine Festanstellung, 2 Kinder und 2 Start-ups.

2 Responses

  1. Gelungener Vergleich – das Bild mit dem Spielplatz werd ich wohl auch mal in zukünftigen Workshops verwenden ;)

    Ich nehme auch immer mal wieder die Party als Gleichnis. Wenn man gerade auf einer Party angekommen ist: erstmal zuhören. Dann kann man sich an Themen beteiligen bevor man dann vielleicht auch selbst eine Diskussion anzettelt.

    Beste Grüße!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.